Was Oikocredit von Banken, Mikrofinanzinstituten und Spendenorganisationen unterscheidet

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Oikocredit ist weder eine Bank noch eine Mikrofinanzinstitution (MFI) oder eine gemeinnützige Organisation. Als soziale Impact-Investorin arbeitet Oikocredit mit lokalen Partnern zusammen, um nachhaltige Veränderungen in einkommensschwachen Regionen zu bewirken – durch Finanzierungen mit Sinn.

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In der heutigen globalen Finanzlandschaft bedienen Banken zwar einen grossen Teil der Wirtschaft, doch Millionen von Menschen bleiben davon ausgeschlossen. Mikrofinanzinstitute, gemeinnützige Organisationen und Impact-Investoren wie Oikocredit versuchen  diese Lücke zu schliessen – mit Angeboten, die sozial ausgerichtet und lokal verankert sind.

Mit über 50 Jahren Erfahrung  gilt Oikocredit als Pionierin im Bereich  Impact Investing. Oikocredit arbeitet zwar mit Banken, MFIs und gemeinnützigen Organisationen zusammen, verfolgt aber ein ganz eigenes, wertebasiertes Modell. Die eingesetzten Finanzinstrumente mögen ähnlich sein – die Ziele, Methoden und Wirkung sind jedoch grundlegend verschieden.

Banken und Mikrofinanz: Ein kurzer Überblick

Die Wurzeln des modernen Bankwesens gehen auf die italienischen Kaufleute der Renaissance zurück, die Systeme für die Kreditvergabe und den Geldumtausch entwickelten. Im 17. Jahrhundert wurden Zentralbanken wie die Bank of England gegründet, um nationale Währungen und Staatsschulden zu verwalten. Heute arbeiten die Banken unter komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen und bieten Unternehmen und Privatpersonen eine breite Palette von Finanzprodukten an.

Die Mikrofinanzierung hingegen ist aus der Tradition der gemeinschaftsbasierten Kreditvergabe hervorgegangen. Ein frühes und inspirierendes Beispiel findet sich im Irland des 18. Jahrhunderts, wo der Schriftsteller Jonathan Swift – berühmt für Gullivers Reisen – sein persönliches Vermögen nutzte, um Handwerkern mit niedrigem Einkommen kleine, zinslose oder zinsgünstige Darlehen zu gewähren. Die Kreditnehmer zahlten wöchentlich zurück und benötigten zwei Bürgen – alles Merkmale moderner Mikrokredite.

Was Banken leisten – und was nicht

Traditionelle Banken sind kommerzielle Unternehmen, die darauf ausgerichtet sind, Gewinn zu erzielen. Sie bieten eine Vielzahl an Finanzprodukten, darunter Giro- oder Sparkonten, Privat- und Geschäftskredite, Hypotheken und Wertpapierdienstleistungen. Sie spielen eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Stabilität und Liquidität. Banken werden von Finanzbehörden reguliert, sind oft große, global tätige Konzerne und verfügen über eine komplexe Infrastruktur und ausgeklügelte Risikomanagementsysteme.

Banken bedienen jedoch in der Regel ein bestimmtes Bevölkerungssegment, nämlich Privatpersonen und Unternehmen, die ein stabiles Einkommen, Bonitätsnachweise und Sicherheiten vorweisen können. Ihre Tätigkeit basiert auf einem Risiko-Ertrags-Kalkül. In vielen Fällen passen Kund*innen mit niedrigem Einkommen, Kleinbäuerinnen, informelle Unternehmer und ländliche Haushalte einfach nicht in dieses Modell.

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Rund 1,4 Milliarden Erwachsene weltweit haben immer noch keinen Zugang zu einem Bankkonto.

Infolgedessen bleiben große Teile der Bevölkerung, insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen, vom formellen Bankensystem ausgeschlossen. Nach Angaben der Weltbank haben weltweit etwa 1,4 Milliarden Erwachsene immer noch keinen Zugang zu einem Bankkonto. Für diese Menschen ist der traditionelle Bankensektor oft physisch nicht zugänglich, finanziell unerschwinglich oder administrativ nicht zu bewältigen.

Der Aufstieg der Mikrofinanzinstitute (MFIs)

Mikrofinanzinstitute sind entstanden, um diese Lücke zu schliessen. Ihr Ziel ist es, Menschen ohne Zugang zum regulären Finanzsystem niederschwellige Dienstleistungen bereitzustellen. Häufig richten sie sich an informell Beschäftigte, Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Kleinstunternehmer*innen – besonders an Frauen. Viele von ihnen haben weder ein geregeltes Einkommen noch Sicherheiten, brauchen aber dennoch finanzielle Unterstützung, um ein kleines Geschäft aufzubauen oder in die Ausbildung ihrer Kinder zu investieren.

Mikrofinanzinstitute unterscheiden sich von Banken nicht nur durch kleinere Kreditbeträge, sondern vor allem durch ihre enge Beziehung zu den Menschen, die sie unterstützen. Sie arbeiten oft direkt in den Gemeinschaften, kennen die lokalen Bedürfnisse und begleiten ihre Kund*innen mit Beratung und Schulungen. Statt klassischer Sicherheiten setzen viele MFIs auf kreative Modelle wie Gruppenkredite – dabei übernehmen die Teilnehmenden gemeinsam Verantwortung und stärken sich gegenseitig.

Gemeinsam ist allen Mikrofinanzinstituten ihr sozialer Auftrag: Sie setzen sich dafür ein, Menschen den Zugang zu Kapital zu ermöglichen – damit diese ihre Lebenssituation aus eigener Kraft verbessern können. Oikocredit arbeitet seit vielen Jahren eng mit MFIs zusammen. Allein im Jahr 2024 flossen über 70 % unserer Entwicklungsfinanzierungen in Projekte zur finanziellen Inklusion – vor allem über MFIs, aber auch durch die gezielte Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Mehr dazu erfahren Sie in unserem Wirkungsbericht 2024.

Wie sich Impact Investing von Spenden und NGO-Arbeit unterscheidet

Im Unterschied zu klassischen Spenden oder Hilfsprojekten setzt Impact Investing auf langfristige, nachhaltige Strukturen. Dabei werden die Menschen vor Ort nicht als passive Hilfsempfänger*innen gesehen, sondern als aktive Gestalter*innen von Fortschritt, Innovation und Resilienz. Kapital wird gezielt und verantwortungsvoll eingesetzt – mit dem klaren Ziel, positive soziale Wirkung zu erzielen und echten Wandel zu ermöglichen.

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Impact Investing schafft einen Raum, in dem Geld den Menschen dient – nicht umgekehrt.

Spenden und Investitionen haben beide ihre Berechtigung – und können sich sogar ergänzen. Durch sogenannte Blended-Finance-Modelle lassen sich oft Lösungen umsetzen, die weder Philanthropie noch klassische Investments allein ermöglichen würden. Impact Investing will Spenden jedoch nicht ersetzen. Vielmehr geht es darum, einen Raum zu schaffen, in dem Geld den Menschen dient – nicht umgekehrt.

Oikocredit stärkt Gemeinschaften mit nachhaltigen Finanzlösungen, arbeitet eng mit lokalen Partnern vor Ort zusammen – und misst den Erfolg daran, was sich für die Menschen konkret verbessert.

Alle diese Akteure haben ihren Platz im grossen Gefüge von Finanz- und Entwicklungsarbeit. Doch wer gezielt Ungleichheit und Armut bekämpfen und eine inklusive Entwicklung fördern möchte, findet in Organisationen wie Oikocredit eine echte Alternative – eine, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht und langfristige Wirkung wichtiger ist als kurzfristiger Gewinn.

Die Rolle von Oikocredit

Oikocredit ist weder eine Bank, noch eine Mikrofinanzinstitution oder gemeinnützige Organisation. Oikocredit ist eine Social-Impact-Investorin, eine Genossenschaft mit einem einzigartigen Ansatz, der Elemente der Finanzierung, Entwicklung und Partnerschaft verbindet.

Oikocredit wurde vor 50 Jahren gegründet und bringt Investitionen von Privatpersonen und Organisationen dorthin, wo sie am meisten bewirken – zu sozialen Unternehmen, Genossenschaften, KMU, Banken und MFIs, die benachteiligte Gemeinschaften unterstützen. Dabei geht es nicht nur um Geld: Wir arbeiten eng mit unseren Partnern zusammen, um langfristige Stabilität und echten Wandel zu ermöglichen.

Neben unseren Investitionen in finanzielle Inklusion, nachhaltige Landwirtschaft, erneuerbare Energien und zunehmend auch klimafreundliche Lösungen unterstützen wir unsere Partner gezielt mit passgenauen Finanzierungen – in Form von Darlehen oder Eigenkapitalbeteiligungen – sowie mit Beratungs- und Schulungsprogrammen. Diese drei Elemente stehen im Zentrum unseres Ansatzes, mit dem wir die soziale Wirkung für einkommensschwache Menschen und Gemeinschaften möglichst groß machen wollen.

Ein zentraler Unterschied zwischen Oikocredit und kommerziellen Banken liegt in der Motivation: Während Banken vor allem auf die Rendite für ihre Aktionäre schauen, lässt sich Oikocredit von Werten wie Solidaritätsozialer Gerechtigkeit und verantwortungsvoller Finanzierung leiten. Unsere Investitionen sollen das Leben der Menschen verbessern und Armut verringern – nicht einfach nur Gewinn bringen.

Oikocredit vergibt keine Kredite direkt an Einzelpersonen. Stattdessen arbeiten wir mit sorgfältig ausgewählten Partnern zusammen – darunter auch Mikrofinanzinstitute, die tief in ihren Gemeinschaften verankert sind und unsere sozialen Werte teilen. Diese Organisationen unterstützen wir nicht nur finanziell, sondern auch mit Schulungen, Forschung und Werkzeugen zur Messung ihrer sozialen Wirkung.

Warum KMU für die Wirkungsstrategie von Oikocredit von zentraler Bedeutung sind

Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind ein zentraler Hebel für positive Veränderung und spielen deshalb eine wichtige Rolle in der Arbeit von Oikocredit. Ihre Bedeutung ist kaum zu überschätzen: KMU schaffen Arbeitsplätze, stärken die lokale Wirtschaft und bieten essenzielle Dienstleistungen wie Bildung, Wohnraum oder Gesundheitsversorgung. Weltweit machen sie rund 90 % aller Unternehmen aus, sichern bis zu 70 % der Arbeitsplätze und tragen etwa 50 % zum globalen BIP bei. Dennoch bleibt vielen KMU der Zugang zu nötigem Kapital verwehrt – genau hier setzt Oikocredit an.

Oikocredit arbeitet mit Finanzinstituten zusammen, die sich auf die Förderung von KMU spezialisiert haben. Gemeinsam helfen wir dabei, die Finanzierungslücke zu schliessen, damit diese Unternehmen wachsenkrisenfester werden und ihre Gemeinschaften stärken können. Dieser Ansatz trägt direkt zu mehreren Zielen für nachhaltige Entwicklung bei, etwa in den Bereichen Beschäftigung, Gleichstellung und Grundversorgung.

Beispiele lokaler Partnerschaften mit MFI, Banken und NGO, die soziale Wirkung entfalten

Um möglichst viele Menschen zu erreichen und echte soziale Wirkung zu erzielen, arbeitet Oikocredit mit ausgewählten lokalen Partnern zusammen – darunter Mikrofinanzinstitute, Finanzinstitute für KMU, NGOs und Banken, die eng mit ihren Gemeinschaften verbunden sind. Anstatt selbst Kredite an Einzelpersonen zu vergeben, unterstützt Oikocredit diese Partner finanziell und fachlich, damit sie genau dort Finanz- und Entwicklungsangebote bereitstellen können, wo sie am dringendsten gebraucht werden.

Hier sind drei Beispiele für solche Partnerschaften:

Fundación Espoir, Ecuador

Seit 2006 arbeitet Oikocredit mit der Fundación Espoir in Ecuador zusammen. Die NGO unterstützt einkommensschwache Frauen, von denen viele ein kleines Unternehmen führen, mit Finanzdienstleistungen und medizinischer Grundversorgung. Espoir vergibt Gruppen- und Einzelkredite für Mikrounternehmen, bietet gleichzeitig Gesundheitschecks und Bildungsangebote an. Dieser ganzheitliche Ansatz zeigt, was Oikocredit antreibt: Finanzielle Inklusion und das Wohl der Menschen gehören untrennbar zusammen.

Visión Banco, Paraguay

Oikocredit arbeitet seit 2005 mit Visión Banco in Paraguay zusammen. Die Bank erreicht landesweit rund 900’000 Menschen und Unternehmen. In den letzten zehn Jahren hat sie sich von einer Anbieterin von Sparkonten und Mikrokrediten zu einer Spezialistin für digitale Finanzlösungen für KMU entwickelt. Heute fliesst etwa die Hälfte ihres Kreditportfolios in die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen.

Banco Caribe, Dominikanische Republik

Seit 2023 arbeitet Oikocredit mit Banco Caribe zusammen, um kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) besseren Zugang zu Finanzierungen zu ermöglichen. Im Rahmen der Partnerschaft erhält Banco Caribe langfristige Mittel, um lokale Unternehmen zu stärken und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Indem gezielt unterversorgte Unternehmer*innen unterstützt werden – besonders in Branchen, die Arbeitsplätze schaffen – leistet die Zusammenarbeit einen wichtigen Beitrag zu einer inklusiveren Wirtschaft.

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Wir stärken lokale MFI, Banken und NGO mit Kapital, Beratung und Schulungen, um die Resilienz zu stärken und eine nachhaltige soziale Wirkung zu erzielen.

Diese Partnerschaften zeigen, wie Oikocredit über klassische Finanzierungsansätze hinausgeht. Indem wir Mikrofinanzinstitute, Banken und NGO mit Kapital, Beratung und Schulungen unterstützen, stärken wir ihre Resilienz – und ermöglichen eine nachhaltige, messbare soziale Wirkung im Alltag der Menschen.

Oikocredits Mission und Vision

Der Erfolg von Oikocredit in den letzten 50 Jahren zeigt, wie stark unser Engagement für soziale Wirkung ist. Weil die Genossenschaft das Wohl der Gemeinschaft über reine Gewinnziele stellt, konnte sie unzählige Menschen und Unternehmen unterstützen – und eindrücklich beweisen, dass Finanzierungen ein wirkungsvolles Mittel für positiven Wandel sein können.

Mit ihrem Fokus auf soziale Wirkung, sorgfältiger Prüfung und einem klaren Bekenntnis zu ethischem Investieren zeigt Oikocredit, dass finanzieller Erfolg und gesellschaftliche Verantwortung sich nicht ausschließen, sondern ideal ergänzen. Die Genossenschaft bleibt ihrem Ziel treu, in eine bessere Zukunft zu investieren: Eine, in der Kapital nicht nur Wohlstand schafft, sondern auch Gemeinschaften stärkt und nachhaltigen sozialen Wandel ermöglicht.