Nachhaltige Finanzwirtschaft in der Praxis
Wie Oikocredit mit ESG-Kriterien die richtigen Partnerorganisationen auswählt

Die ESG-Scorecard von Oikocredit geht über finanzielle Kennzahlen hinaus und bewertet die Partner nach ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren, um eine nachhaltige Wirkung in den Gemeinschaften zu erreichen.
Seit fast 50 Jahren vergibt Oikocredit Kredite und investiert in Partner in Afrika, Asien und Mittel- und Südamerika, um die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu verbessern. Dies umfasst gezielte Maßnahmen zur Steigerung der Einkommen, zur Lösung sozialer Herausforderungen und zur Förderung ökologischer Nachhaltigkeit. Aber wie entscheidet Oikocredit, mit welchen Partnern und Projekten sie zusammenarbeitet?
Die finanzielle Bewertung: einfach, aber angepasst
Aus finanzieller Sicht ist es relativ einfach: Oikocredit prüft, wie das Darlehen von der kreditnehmenden Organisation – sei dies eine Finanzdienstleistungsorganisation, eine landwirtschaftliche Genossenschaft oder ein Unternehmen für erneuerbare Energien – verwendet wird und ob die Rückzahlung gesichert ist. Eine solche Bewertung ist ein Kerninstrument des Finanzsektors, wird hier jedoch sensibel an den jeweiligen lokalen Kontext angepasst.
Soziale Wirkungsindikatoren, wie etwa Nachhaltigkeit, erfordern jedoch von Natur aus eine andere Art der Bewertung.
ESG-Scorecard: Zentrales Instrument zur Bewertung nicht-finanzieller Kriterien
Seit über zehn Jahren nutzt Oikocredit die ESG-Scorecard als Hauptinstrument, um nicht-finanzielle Kriterien zu bewerten. Diese umfasst drei zentrale Bereiche: Umwelt (E), soziale Auswirkungen (S) und Governance (G). Wir haben für jede Kategorie spezifische, messbare Kriterien definiert. Diese werden mit einem Punktesystem und entsprechender Gewichtung bewertet, wodurch ein objektiver Vergleich verschiedener Partner und ihrer Arbeit möglich ist.
Ein Beispiel ist der Umweltschutz, der sich auf umweltfreundliche Praktiken und die Einhaltung lokaler Nachhaltigkeitsstandards konzentriert. Im sozialen Bereich liegt der Schwerpunkt auf der Schaffung und Erhaltung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen, aber auch auf der Konzentration auf bestimmte unterversorgte Gruppen wie ländliche Gemeinschaften, Frauen und marginalisierte Bevölkerungsgruppen, für die es schwierig sein kann, einen Kredit zu erhalten.
Zu einer verantwortungsvollen Kreditvergabe und Unternehmensführung gehört natürlich auch die Einhaltung des lokalen Arbeitsrechts sowie andere Faktoren wie ein systematischer Ansatz für die Mitarbeiterschulung und ein faires Verhältnis zwischen Management und Beschäftigten.
Insgesamt umfasst die ESG-Scorecard von Oikocredit rund 20 Kriterien.
Vier Versionen der ESG-Scorecard: Für jede Organisation der passende Rahmen
Es gibt vier Scorecards, die jeweils auf unterschiedliche Arten von Organisationen zugeschnitten sind. Diese umfassen:
- Mikrofinanzinstitute
- Finanzinstitutionen, die kleine und mittlere Unternehmen (KMU) finanzieren
- Landwirtschaftliche Organisationen und
- Organisationen im Bereich erneuerbare Energien.
Ein Mikrofinanzinstitut könnte zum Beispiel das Umweltbewusstsein oder den Einsatz grüner Produkte bei seinen Kreditnehmenden fördern, während ein Unternehmen seine Arbeitsmethoden und Technologien direkt auf ökologische Kriterien ausrichtet.
Warum ist die ESG-Scorecard ein so wichtiges Werkzeug?
Die ESG-Scorecard übersetzt allgemeine Ziele wie Umweltschutz, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung in konkrete, messbare und umsetzbare Massnahmen – eine anspruchsvolle, aber wichtige Aufgabe.
Die ESG-Scorecard bietet eine praktische Grundlage für Gespräche mit potenziellen Partnern und erleichtert den Vergleich. Sie hilft, die Stärken und Schwächen der Partner zu erkennen und ermöglicht die Entwicklung klarer Aktionspläne, um notwendige Anpassungen vorzunehmen.
Oikocredit wiederholt die Bewertung für jede Organisation jährlich, um die Fortschritte im Laufe der Zeit zu verfolgen.
Scorecard plus Erfahrung und Expertise
Die ESG-Scorecard ist jedoch kein Allheilmittel und kann den Kreditvergabeprozess nicht standardisieren oder automatisieren – etwa durch das Festlegen einer Benchmark-Punktzahl oder „Bestnote“. Sie ersetzt die Erfahrung und das differenzierte Fachwissen der Oikocredit-Mitarbeitenden nicht.
Nicht alle Partner sind in allen Bereichen gleich stark. Manche Partner sind besonders erfolgreich bei der sozialen Wirkung (z. B. bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze), konzentrieren sich aber nicht auf Umweltfragen, während es bei anderen genau andersherum ist.
In solchen Fällen hilft die Scorecard Oikocredit, ein ausgewogenes Portfolio von Krediten und Partnern zu erstellen, das alle ESG- und Finanzkriterien berücksichtigt und bei dem kein Partner unter die Mindestanforderungen fällt.
Monitoring der Partner anhand der ESG-Scorecard
Die ESG-Scorecard wird nicht nur zur Auswahl von Partnern genutzt, sondern auch für das kontinuierliche Monitoring. Oikocredit verfolgt diese Praxis bereits seit mehr als zehn Jahren.
Im Einklang mit der eigenen Strategie unterstützt Oikocredit seine Partner bei der Verbesserung ihrer ESG-Performance. Diese Fortschritte werden vierteljährlich und jährlich überprüft. Unterstützungsmassnahmen umfassen beispielsweise Umweltschulungen und den Zugang zu Ressourcen von Organisationen wie Cerise+SPTF.
Mit der ESG-Scorecard als Grundlage wählt Oikocredit nicht nur Partner aus, sondern unterstützt sie aktiv in ihrer Weiterentwicklung. Dies verdeutlicht die einzigartige Kombination aus Struktur und Flexibilität, die den nachhaltigen und verantwortungsbewussten Ansatz der Genossenschaft ausmacht.