Wir schärfen unsere Strategie für mehr Wirkung
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Wir haben uns mit der Geschäftsführerin von Oikocredit, Mirjam ’t Lam, zusammengesetzt, um die Zwischenbilanz unserer Strategie für 2022–2026 zu besprechen. In diesem Interview teilt sie mit, wie die Überprüfung half, unseren Fokus zu schärfen, unsere Mission zu bekräftigen und einen stärkeren Weg nach vorne zu gestalten.

Kannst du uns erläutern, warum die Zwischenbilanz der Strategie 2022-2026 notwendig war, welche Erkenntnisse sie brachte und ob die Ergebnisse bestätigen, dass Oikocredit auf dem richtigen Weg ist?
Eine Zwischenbilanz ist eine entscheidende Kontrollinstanz. Sie hilft uns, unseren Fortschritt zu bewerten, unseren Fokus zu schärfen und sicherzustellen, dass wir echte Wirkung erzielen. Die Überprüfung, durchgeführt in der zweiten Hälfte von 2024, bekräftigte unseren Leitstern: die Stärkung der Resilienz von Gemeinschaften mit niedrigem Einkommen. Angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel, wirtschaftliche Volatilität und wachsende Ungleichheiten ist unsere Mission relevanter denn je.
Die Ergebnisse unterstreichen auch den Wert von Oikocredits einzigartigem Ansatz: Investor*innen durch globales Lernen einzubeziehen und für verantwortungsvolles Investieren zu sensibilisieren. Doch die Bilanz ging über Bestätigung hinaus und veranlasste konkrete Schritte, wie die Entwicklung neuer finanzierungsorientierter Produkte für Gemeinschaften, die Erweiterung unserer Investor*innenbasis und eine Kenntnisvertiefung durch Webinare und Reisen.
Die Bilanz gab uns die Möglichkeit, die in den unsicheren Pandemiejahren gesetzten Ziele neu zu justieren. Wir haben unsere Ziele verfeinert, um sicherzustellen, dass sie realistisch, motivierend und auf die heutigen Gegebenheiten abgestimmt sind – was uns einen erneuerten Fokus und Zuversicht für den zukünftigen Weg gibt.
Oikocredit legt Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Risiko, Rendite und Wirkung. Kannst du uns mehr darüber erzählen und wie die Genossenschaft dieses Gleichgewicht erreichen und erhalten will?
Für uns ist die finanzielle Leistungsfähigkeit nicht nur eine Frage von Zahlen, sondern von Wirkung. Wir sind stolz darauf, 53 Millionen Menschen erreicht und gemeinschaftsorientierte Projekte umgesetzt zu haben, die Partner, Einzelpersonen und Gemeinschaften stärken. Allerdings ist es ebenso entscheidend, finanzielle Nachhaltigkeit sicherzustellen.
Die Bilanz hat finanzielle Herausforderungen aufgezeigt, insbesondere da einige Partner mit Rückzahlungsschwierigkeiten zu kämpfen hatten, was zu erhöhten Kreditausfallrückstellungen in den letzten Jahren führte. Dies ist ein Trend, den wir umkehren möchten. Während unsere Wirkung die Erwartungen übertroffen hat, müssen wir unseren Ansatz zur Portfolioentwicklung verfeinern, um die Wirkung angemessen mit den Risiken und der Rendite auszugleichen und die Resilienz der Genossenschaft zu sichern.
Unsere Strategie für die Zukunft zielt darauf ab, ein besseres Gleichgewicht zwischen Wirkung, Risiko und Rendite zu finden, was es uns ermöglicht, unseren Einfluss nachhaltig zu erweitern. Durch die Konzentration auf den Aufbau eines soliden Portfolios unter Berücksichtigung unserer sozialen Leistung und Risikomanagementpraktiken verfeinern wir unseren Ansatz, um sowohl die Wirkung als auch den positiven finanziellen Beitrag zu maximieren.
Warum steht der Aufbau von klimaresilienten Gemeinschaften im Mittelpunkt der überarbeiteten Strategie?
Klimaresilienz war schon immer Teil unserer Strategie, aber unsere jüngste Umfrage unter Endkund*innen hat ihre Dringlichkeit verstärkt. Gemeinschaften erleben bereits jetzt schwerwiegende Klimaauswirkungen, weitaus stärker als erwartet. Um die Resilienz wirklich zu unterstützen, müssen wir die Klimaanpassung expliziter in unsere Strategie integrieren.
Dies ist nicht nur unsere Verantwortung, sondern ein gemeinsames Engagement mit unseren Partnern. Gemeinsam identifizieren wir praktische Wege, um Klimarisiken zu mindern und Anpassungsbemühungen zu stärken. Nehmen wir Kenia als Beispiel: Dürre und unvorhersehbare Wettermuster führen zu rückläufigen landwirtschaftlichen Erträgen und machen das ländliche Leben untragbar. Unsere Mikrofinanzpartner können helfen, indem sie Bildung über Klimaauswirkungen anbieten, Kredite für die Finanzierung von Wassertanks und Bewässerungslösungen bereitstellen – Massnahmen, die Familien und ihr Einkommen unterstützen.
Letztlich sind es vor allem die einkommensschwachen Gemeinschaften, die disproportional vom Klimawandel betroffen sind. Indem wir Klimaschutz in alles integrieren, was wir tun, stellen wir sicher, dass unsere Partner und ihre Kundschaft eine resilientere Zukunft aufbauen können.
Kannst du uns mehr über das Portfolio für klimaintelligente Lösungen erzählen und wie es sich von unserem traditionellen, auf Gemeinschaften ausgerichteten Ansatz unterscheidet?
Seit 2022 haben wir die Zusammenarbeit mit Mikrofinanzpartnern und Organisationen wie Opportunity International und Aqua for All priorisiert, um wichtige Gemeinschaftsbedürfnisse wie Wohnen, Wasser, sanitäre Einrichtungen und Bildung anzugehen. Jetzt erweitern wir diesen Ansatz auf klimaintelligente Lösungen.
Der Hauptunterschied? Unser neues Portfolio für klimaintelligente Lösungen konzentriert sich auf eigenständige, finanzierbare Projekte mit messbarer Wirkung für die Umwelt. Dies unterscheidet sich von traditionellen, auf Gemeinschaften ausgerichteten Initiativen, die sich speziell darauf konzentrieren, mit unseren aktuellen Partnern für finanzielle Inklusion besseren Zugang zur Bildung zu schaffen, zum Beispiel. Aufbauend auf unseren erfolgreichen Investitionen in erneuerbare Energien lenken wir nun Finanzmittel auf Lösungen, die direkt Klimarisiken in den Gebieten bekämpfen, in denen unsere Zielgruppe lebt – und stellen sicher, dass Resilienz weiterhin im Mittelpunkt unserer Mission stehen.
Wie siehst du die Entwicklung der Fokussektoren und des Entwicklungsfinanzportfolios von Oikocredit in den kommenden Jahren?
Unsere Strategie hat sich stärker auf eine Gemeinschaftsausrichtung verlagert. Während Mikrofinanzierung nach wie vor wichtig ist, wird ihr Anteil in unserem Portfolio allmählich abnehmen, da der Sektor reifer geworden ist und die Finanzierung für unsere Zielgruppen durch Innovationen wie Fintech und KI noch zugänglicher geworden ist.
Jedoch hat unsere Bilanz auf wachsende Ungleichheiten hingewiesen, insbesondere durch den Klimawandel, geopolitische Verschiebungen und regulatorische Änderungen. Um diesen neuen Herausforderungen gerecht zu werden, priorisieren wir klimaintelligente Lösungen, Ernährungssicherheit, erneuerbare Energien und weibliches Unternehmertum. Dieses sich entwickelnde Portfolio stellt sicher, dass wir in einer sich verändernden Welt relevant und wirkungsvoll bleiben.
Wie hilft Oikocredits globale Bildungsarbeit dabei, die Kluft zwischen der Gemeinschaft von Investor*innen und den Gemeinschaften, die wir bedienen, zu überbrücken?
Unsere Bildungsarbeit basiert auf den Erfahrungen der Menschen in den Gemeinschaften vor Ort. Durch den direkten Austausch mit unseren Partnern und ihren Kund*innen gewinnen wir wertvolle Einblicke, die unsere Bildungsarbeit prägen. Diese gestalten wir gemeinsam mit unseren Fördervereinen, um Wissen zu teilen und das gegenseitige Verständnis zu stärken.
Wir nutzen die Geschichten unserer Partner und deren Kund*innen, um das Bewusstsein in den Ländern, die Kapital bereitstellen, zu schärfen und Anleger*innen zu helfen, die Realitäten wirtschaftlich benachteiligter Gemeinschaften zu verstehen. Dieser Ansatz stärkt unsere übergeordnete Mission, die Resilienz von Gemeinschaften zu fördern, und unterstützt zugleich verantwortungsbewusstes Investieren. Indem wir Austausch ermöglichen, stellen wir sicher, dass die Bedürfnisse der Kund*innen unserer Partner nicht nur gehört, sondern auch auf sinnvolle und nachhaltige Weise adressiert werden.
Was sind einige der grössten Herausforderungen, die du in den kommenden Jahren erwartest?
Zwei grosse Herausforderungen stechen hervor. Erstens wird die Welt zunehmend unberechenbar. Naturkatastrophen, politische Instabilität und wirtschaftliche Volatilität erfordern von uns mehr Agilität. Um unsere Partner weiterhin effektiv zu unterstützen, müssen wir darauf vorbereitet sein, schnelle, informierte Entscheidungen zu treffen – selbst in unsicheren Zeiten.
Die zweite Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass unsere Wirkung anerkannt und verstanden wird. In den letzten 50 Jahren war Oikocredit Pionierin im Bereich des Impact Investing und hat einen ganzen Sektor mitgeprägt. Doch da unsere Mission über die finanzielle Inklusion hinausgeht und Themen wie Zugang zu sauberer Energie, Ernährungssicherheit und Klimaanpassung umfasst, müssen wir besser zeigen, wie tiefgehend und breit gefächert unsere Arbeit ist.
Mit Instrumenten wie der Befragung unserer Endkundschaft optimieren wir unsere Wirkungsmessung und die Art und Weise, in der wir diese Ergebnisse kommunizieren. So stellen wir sicher, dass unsere Bemühungen gezielt, effektiv und im Einklang mit den Bedürfnissen der Gemeinschaften sind, denen wir dienen.
Im Kontext unseres 50-jährigen Jubiläums: Wie siehst du die Rolle von Oikocredit im nächsten Jahrzehnt im Bereich des sozialen Impact Investings?
Wir haben viel zu feiern – 50 Jahre haben wir in Menschen investiert, in den Aufbau von Gemeinschaften sowie in die Förderung von sozialer Wirkung. Doch die Arbeit hört hier nicht auf. Die Welt verändert sich und unsere Mission muss sich mit ihr weiterentwickeln.
Während die finanzielle Inklusion in der Vergangenheit eine zentrale Rolle spielte, erfordern heute drängende Themen wie Klimaresilienz, Gleichstellung und fairer Marktzugang unsere Aufmerksamkeit. Das nächste Jahrzehnt wird entscheidend sein, um innovative und nachhaltige Lösungen zu schaffen, die diese Herausforderungen adressieren.
Indem wir in Initiativen investieren, die soziale und wirtschaftliche Resilienz stärken, werden wir weiterhin Lebensgrundlagen verbessern und gleichzeitig faire Renditen für Anleger*innen sicherstellen. Während der Sektor des Impact Investings wächst, wird Oikocredit weiterhin ein Vorbild sein und beweisen, dass langfristige, bedeutungsvolle Veränderungen möglich sind, wenn wir den Menschen und ihren Gemeinschaften Priorität einräumen.