So wählt Oikocredit mithilfe der ESG-Scorecard die Partner aus

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Oikocredit arbeitet mit mehr als 500 sorgfältig ausgewählten Partnerunternehmen im Globalen Süden zusammen: Mikrofinanzinstitutionen, Agrargenossenschaften und Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien. Wie werden diese ausgewählt?

Oikocredit vergibt seit 50 Jahren Kredite in Ländern des Globalen Südens, um einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen zu leisten. Dabei geht es um das Einkommen, die soziale Situation der Menschen und um Umweltthemen.  

Aber wie funktioniert die Auswahl der geeigneten Partner ganz konkret? Oikocredit vergibt Kredite nicht direkt an Einzelpersonen, sondern arbeitet mit aktuell mehr als 500 sorgfältig ausgewählten Partnerunternehmen in über 50 Ländern zusammen, die die lokalen Gegebenheiten vor Ort kennen und direkten Kontakt zu den Kund*innen haben. Zu den Partnern, an die Oikocredit die Kredite vergibt, zählen Mikrofinanzinstitutionen, Agrargenossenschaften und Unternehmen im Bereich erneuerbare Energien. Wenn eine Kreditvergabe ansteht, bewertet Oikocredit gemeinsam mit dem jeweiligen Partner, wie der geplante Kredit eingesetzt werden soll und ob auf dieser Basis eine Rückzahlung gesichert ist.  

 

Nichtfinanzielle Kriterien fließen mit ein 

 

Die ESG-Scorecard ist das zentrale Werkzeug für die Bewertung der nichtfinanziellen Kriterien: ESG steht für „Environment“ = Umwelt, „Social“ = soziale Wirkungen und „Governance“ = gute und verantwortliche Unternehmensführung. In jeder Kategorie hat Oikocredit klare Kriterien definiert, die durch ein Punktesystem und entsprechende Gewichtung zusammengefasst werden und so eine Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen bewerteten Partnern ermöglichen.
 

Beispiele: Beim Umweltschutz geht es etwa um die Einhaltung von lokalen Umweltstandards. Im sozialen Bereich geht es um die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen aber auch um die Konzentration auf bestimmte Zielgruppen, z.B. ländliche Bevölkerung, Frauen oder marginalisierte Bevölkerungsgruppen. Zu verantwortlicher Unternehmensführung gehört das Einhalten der (arbeits-)rechtlichen Vorgaben, aber auch die systematische Weiterbildung der Mitarbeiter*innen und ein angemessenes Verhältnis der Vergütung des Managements zur Vergütung der Mitarbeiter*innen. Insgesamt werden etwa 20 Einzelkriterien betrachtet. 

 

Vier Versionen der ESG-Scorecard 

 

Oikocredit nutzt vier verschiedene ESG-Scorecards, nämlich für  

  • Mikrofinanz-Institutionen 
  • Finanzinstitute, die kleine und mittlere Unternehmen (KMU) finanzieren  
  • landwirtschaftliche Genossenschaften  
  • Unternehmen im Bereich erneuerbarer Energien 

Der Grund für die vier Versionen: Bei der Beurteilung der verschiedenen Typen von Partnern müssen unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. So kann eine Mikrofinanzinstitution eigentlich nur indirekt etwas für die Umwelt tun, indem sie das Umweltbewusstsein oder umweltverträgliche Produkte bei ihren Kreditnehmer*innen gezielt fördert, während ein Unternehmen seine Arbeitsweise und die eingesetzte Technik direkt an ökologischen Kriterien orientieren kann.  

 

Warum ist die ESG-Scorecard so ein wichtiges Werkzeug?  

 

Zentraler Punkt ist, dass die allgemeine Aussage, man wolle Umweltschutz, Soziales und gute Unternehmensführung fördern, konkretisiert wird. Mit der ESG-Scorecard hat man eine pragmatische Grundlage für das Gespräch mit potenziellen Partnern und kann unterschiedliche Partner miteinander vergleichen. Man identifiziert Schwerpunkte, Stärken und Schwächen der Partner. Außerdem ermöglicht es Oikocredit, klare Aktionspläne zu entwickeln, um Bereiche zu verbessern, die gestärkt werden müssen. Oikocredit wiederholt jährlich die Bewertung für jede Partnerorganisation, um zu erkennen, wie der Partner sich weiterentwickelt hat.  

 

Scorecard plus Erfahrung und Expertise 

 

Die ESG-Scorecard ist allerdings kein Patentrezept, mit der man die Kreditvergabe standardisieren und vielleicht sogar automatisieren kann –nach dem Prinzip: Wer mehr als 70 Prozent der möglichen Gesamtpunktzahl erreicht, erhält den Kredit. Erfahrung und Sachverstand der Oikocredit-Mitarbeiter*innen sind weiterhin in hohem Maße gefragt. Nicht alle Partner sind in allen Kriterien stark. Manche erzielen eine hohe soziale Wirkung (z. B. neue Arbeitsplätze), betrachten Umweltfragen aber nicht als Schwerpunkt, bei anderen ist es genau umgekehrt. Die ESG-Scorecard hilft dann dabei, auf der Ebene von Oikocredit ein Portfolio von Krediten und Partnern auszuwählen, in dem alle Kriterien in der Summe ausgeglichen abgebildet sind und in dem kein Partner bestimmte Untergrenzen der betrachteten Kriterien – einschließlich der finanziellen – unterschreitet.  

 

Partner-Monitoring mithilfe der ESG-Scorecard 

 

Oikocredit verwendet die ESG-Scorecards nicht nur für die Prüfung und Auswahl der Partner, sondern auch für das regelmäßige Monitoring der Partnerunternehmen, und das bereits seit über zehn Jahren. Oikocredit unterstützt die Partner dabei, in ESG-Bewertungen besser zu werden. Das geschieht beispielsweise durch Schulungen zu Umweltthemen und die Vermittlung von Kontakten zu Organisationen, die Schulungen zu ESG-relevanten Themen anbieten, wie Cerise+SPTF – ein internationales Gremium, das sich für die Einhaltung hoher Mikrofinanzstandards einsetzt. 

esg scorecard